Das Deutsche Martyrologium
Teil einer umfassenden Martyrergeschichte des 20. Jhdt.
Papst Johannes Paul II. rief im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente vom 10. November 1994 die Ortskirchen dazu auf, alle Männer und Frauen dem Vergessen zu entreißen, die um des christlichen Glaubens willen verfolgt und gewaltsam getötet worden sind. Im Kapitel über die "unmittelbare Vorbereitung" des Jubiläumsjahres 2000 heißt es: "In unserem Jahrhundert sind die Martyrer zurückgekehrt, häufig unbekannt, gleichsam ,unbekannte Soldaten' der großen Sache Gottes. Soweit als möglich dürfen ihre Zeugnisse in der Kirche nicht verlorengehen. Wie beim Konsistorium empfohlen wurde, muss von den Ortskirchen alles unternommen werden, um durch das Anlegen der notwendigen Dokumentation nicht die Erinnerung zu verlieren an diejenigen, die das Martyrium erlitten haben." (Nr. 37)
Die Aufarbeitung der Vergangenheit unter den Bedingungen unserer Erinnerungsmöglichkeiten korreliert mit der Erschütterung der Denktradition seit der Shoa, insofern Vergangenheit nur fragmentarisch wahrgenommen werden kann. Sowohl die Sinnzerstörung als auch die Verweigerung des Sich-Erinnerns untermauern dies. Die durch die realisierte Sinnlosigkeit ausgelösten Verwerfungen, vor allem durch die Ideologien des Nationalsozialismus und des Kommunismus, dürfen nicht verharmlosend und bloß durch Rituale, denen keine Konsequenzen folgen, vergegenwärtigt werden. Wir dürfen uns ebenso wenig aus unserer Verantwortung stehlen und die menschliche Leidensgeschichte verschleiern, sondern durch eine geläuterte Vernunft und eine erneuerte "Diakonie", der heutigen Caritas, dem oft geforderten Schluss-Strich entgegenwirken. Während des diesjährigen weltweiten Tags der Vereinten Nationen sprach UNO-Generalsekretär Kofi Annan die bedrückende Tatsache aus: "Das 20. Jahrhundert war das mörderischste Zeitalter der menschlichen Geschichte." Oder auf einer anderen Ebene mit den Worten Johannes Pauls II.: "Am Ende des zweiten Jahrtausends ist die Kirche erneut zur Martyrerkirche geworden. Die Verfolgung von Gläubigen - Priestern, Ordensleuten und Laien - hat in verschiedenen Teilen der Welt eine reiche Saat von Martyrern bewirkt" (Nr. 37).
Die Deutsche Bischofskonferenz hat sich das Anliegen des Heiligen Vaters ohne Zögern zu Eigen gemacht. Die im Auftrag des Vorsitzenden der Liturgie-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, Joachim Kardinal Meisner, zu leistende Arbeit fand bei den 27 Diözesanbeauftragten, bei den zehn Beauftragten der Visitatoren sowie bei den Provinzialaten der männlichen und weiblichen Ordensgemeinschaften regen Anklang. In knapp vier Jahren, die bis zum Heiligen Jahr 2000 noch blieben, konnte der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Prälat Dr. Helmut Moll, auch dank der Hilfe von mehr als 135 Fachleuten das deutsche Blutzeugenverzeichnis erstellen. Bereits der Einführungsband "Die katholischen deutschen Martyrer des 20. Jahrhunderts. Ein Verzeichnis" (Paderborn u.a., 1999), den der Verlag Ferdinand Schöningh im vergangenen Juni ausgeliefert hat, enthält eine Zusammenstellung der über 700 Männer und Frauen, die nach den bis heute geltenden Kriterien des späteren Papstes Benedikt XIV. (1740-1758) unter Einschluss der im Pontifikat Pauls VI. vorgenommenen Erweiterungen als Martyrer ausgewiesen worden sind; verschieden nach Herkunft und Geschlecht, nach Stand und Stellung, nach Beruf und Bildung, nach der Zeit, in der sie lebten und nach der Sprache, die sie erlernten, aber verbunden durch den einen Glauben und das gemeinsame Opfer ihres Lebens. Entsprechend dem Hinweis Johannes Pauls II. auf den "Ökumenismus der Martyrer" und dem "ökumenisch beredten Zug" (Nr. 37), den das Martyrologium haben soll, werden die nichtkatholischen Christen namentlich erwähnt und ihr Zeugnis ausdrücklich gewürdigt, sofern sie in ökumenischen Gruppen tätig waren. Das jetzt vorliegende zweibändige Hauptwerk "Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts" stellt alle 700 Personen in biographischen Artikeln von bis zu fünf Seiten vor, dazu - soweit vorhanden - mit einem Porträtfoto ausgestattet und mit einem Werk-, Quellen- und Literaturverzeichnis versehen. Es sind demnach viel mehr leidgeprüfte Menschen, die für die Wahrheit des Glaubens den gewaltsamen Tod erlitten haben, als wir zunächst vermutet haben, ohne dass hier der Anspruch erhoben wird, ausnahmslos alle wirklich erfasst zu haben.
Man kann sich vor dem Lebenszeugnis all jener Personen verneigen, die in diesem Buch vorgestellt werden, wenn auch der Ehrentitel des Martyrers allein jenen des katholischen Bekenntnisses zuzugestehen ist. In diesem Punkt ist Moll zu "ökumenisch". Unbestreitbar aber ist: dieses Werk ist eine wahre Fundgrube von historischen Informationen zur neueren deutschen Geschichte.
Geb., 1828 S., zahlr. schw.-w. Abb.