Geistliches Leben, Innerlichkeit

Das spezifisch Katholische des Christentums liegt in einem überaus intimen Umgang der Gläubigen mit Gott, mit Christus, mit Maria, den Engeln und den Heiligen, welcher den nicht-Katholiken letztlich fremd ist.

Der hl. Thomas von Aquin bezeichnet die Devotio als den Grundakt der Religion: dieser Begriff vereinigt in sich die liebende Hingabe des Menschen an Gott und die Liebe zu allem, was von Gott kommt, so daß daraus zugleich Ehrfurcht, Weihung, Andacht, und der Drang zu liebender (Selbst-) Aufopferung hervorgeht.

Christliche Frömmigkeit ist gewissermaßen eine besondere geistige Blickrichtung, welche die ganze Welt im Lichte des Übernatürlichen erscheinen läßt, und die so das christliche Leben überformt: ausgehend von den Sakramenten durchdringt so das Übernatürliche den gesamten Alltag des Katholiken:

Welt und Mensch – und vor allem auch die Kirche – sind dazu da, Gott zu ehren und zu lieben, und das heißt, um sich in gewisser Weise von der Heiligkeit Gottes überstrahlen und affizieren zu lassen, um durch Gleichgestaltung mit Christus Anteil zu haben an der Heiligkeit Gottes.

Die Zerstörung der Innerlichkeit

Leider ist viel von der echten christlichen Frömmigkeit in den verschiedenen Epochen der Aufklärung, aber auch seit dem 2. Vatikanischen Konzil verloren gegangen; unter den Augen der Bischöfe, wenn nicht sogar auf ihre Anweisung hin, hat man weltweit aus dem immerwährenden Opfer des Altares ein “Gedächtnismahl” der Gläubigen gemacht, man hat sogar das Allerheiligste, vor das bis dahin die Katholiken kniend und anbetend ihre Nöte trugen, in eine Seitenkapelle verbannt; an verschiedenen Orten hat man die Kniebänke ausgeräumt, die oft Jahrhunderte alten Hochältäre zerschlagen, man hat nicht selten die Gläubigen, die beichten wollten, mit einer Bußandacht abgespeist, oder gar zum Psychologen geschickt, man hat den altehrwürdigen Kirchengesang, die Choräle durch flache, teils dümmliche Schlager oder durch Rockmusik ersetzt, usw, usw...

Und anstatt der jahrhundertealten Gebete hat man den Gläubigen Andachtsbücher in die Hand gegeben, die von wirtschaftlicher Ausbeutung, sozialer Gleichheit und politischer Unterdrückung sprechen, aber nur mehr beiläufig von der Liebe zu Gott.

Mit einem Wort: das innerliche Leben wurde abgebrochen, und der Ort, wo es sich entfaltet hatte, wurde mit psychologischen und soziologischen Allerwelts- und Scheinweisheiten angefüllt, ja die Seelen der Gläubigen wurden zu einer Müllhalde gemacht, um auf ihnen die Überreste der Ideologien der vergangenen Jahrzehnte und Jahrhunderte zu deponieren.

Und in dem Maße, als die alte Frömmigkeit erstickt ist, haben die Menschen Zuflucht in meist zweifelhaften Theorien und Praktien gesucht, welche ihnen der immer größer werdene Esoterikmarkt feilbot, während sich in der Kirche die sogenannte “Charismatik” ausbreitete, welche eine postkonziliare Form von Frömmigkeit begründete, welche mit Scheinsakramenten eine Entwertung der echten Sakramente und der heiligen Liturgie der katholischen Kirche betreibt.

Mystik:

Zwei Grundtypen von Mystik:

Die “heidnische” Mystik besteht in dem Versuch, sich durch rein menschlich-natürliches Bestreben des Absoluten zu bemächtigen; diesem Versuch entspricht eine Metaphysik, welche das Unendliche ans das Endliche so sehr annähert, daß man entweder von einem Pantheismus (“Alles ist göttlich”), oder von einem Panentheismus (“das Sein als solches ist Gott”) sprechen muß. Auf psychologischer Ebene entspricht dieser Pseudomystik eine Hybris, die meint, der Mensch könnte sich irgendwie mit Gott messen, er könnte ohne Gnade so werden wie Gott, er könnte Gott oder das Übernatürliche in irgend einer Weise zu irgend etwas zwingen, sich seiner bemächtigen oder gar über Gott verfügen; wir müssen den Verdacht haben, daß hier im letzten die paradiesische Versuchung steht, die sagt: “Ihr werdet sein wie Gott!”.

Aus der un- und vorchristlichen Pseudomystik gehen als weitere Kennzeichen notwendig hervor: Hybris, Weltverachtung, das Nicht-Ertragen der Endlichkeit und der Unvollständigkeit des Lebens, ja der Haß auf die Welt und den Mitmenschen, die letztlich nie so sind, wie sie unserer Vorstellung entsprechend sein sollten.

Die Gefahren falscher Mystik:

Dies hat verschiedenste Konsequenzen:

  • die Aufgabe des ethisch-moralischen Anspruches (sei es in Form des Fatalismus, des Determinismus, oder aber auch im Quietismus), aber auch

  • die Verneinung der Güte des Seins, welche sich in der Verachtung von Welt und Leben ausdrückt,

  • die Versuche der Vernichtung oder der Schwächung der Vernunft: durch pseudo-asketische Praktiken wie Hunger, Sauerstoffentzug, Hervorrufen von körperlichen Fehlfunktionen und Krankheiten, Drogenkonsum, körperliche und geistige Überanstrengung (oft auch genannt “Eingehen ins Nirwana”, welche nur eine böse Karrikatur jener “Nacht des Geistes” ist, die in der gesunden Mystik eine Station des mystischen Weges ist, die eine Zeit lang zu ertragen und zu durchschreiten ist.

In all diesen Fehlformen wird das Liebesgeheimnis zwischen Gott und der auf ihn hin erschaffenen Seele geschändet: weil es auf das Aufblühen der Liebe ankommt, ist die Freiheit der Person, ihre Geistigkeit, ihr Selbstand und Identiät eine unabdingbare Voraussetzung echter Mystik.

Deshalb kann keineswegs der Rückfall des Menschen in einen a-personalen oder vor-personalen Zustand das Ziel der christichen Mystik sein, sondern alleine das Absterben der subjektiven Verhärtungen der Person, welche die Hingabe an Gott behindern, so daß in der echten Mystik bei und in allem “Absterben” letztlich die Person dazu aufblüht, sich aus Liebe an das göttlichen “Du” hinzugeben: was wohl der Hauptgrund dafür ist, daß es auch bei Martin Luther nie zu einer echten Liebes-Mystik gereicht hat.

Die Gefahren der falschen Mystik sind jedoch nicht zu unterschätzen: Sie gehen vornehmlich auf das Bestreben der gefallenen Engel zurück, gerade jenen Platz, den der Fromme durch seine Übungen für Gott frei macht, einzunehmen.

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