Ethik, Naturrecht
Das Naturrecht
(lat. lex naturalis, ius naturale) bezeichnet jenes Recht, das gewissermaßen schon in der Natur der Dinge und somit auch in der Natur der menschlichen Vernunft vorgegeben ist, und das somit als die verbindliche Grundlage der Menschenrechte und des Völkerrechts angesehen werden kann.
Demgegenüber behauptet der Rechtspositivismus, alles Recht sei nur vom Menschen bzw. von menschlichen Gesetzgebern entworfen und vorgegeben, und bestehe somit ohne transzendentale Grundlage.
Alleine schon das dem Rechtsempfinden immanente Verlangen, daß das, was Recht ist, immer und überall zu gelten habe, verweist auf die Absolutheit des Rechtes, und somit auch auf den wahrhaft absoluten Gesetzgeber selbst, nämlich auf Gott. Diese Ansicht wird von der christlichen Philosophie, so besonders vom hl. Augustinus und vom hl. Thomas von Aquin vorbildlich herausgearbeitet, wenn sie das Naturrecht als jenes Recht definieren, das dem Menschen von Natur aus verbindlich und somit auch als unveränderbar vorgegeben ist, und das somit nicht auf das menschliche Belieben oder auf bloße Gewohnheit zurückzuführen ist.
Das Naturrecht hat seine eigentliche Grundlage in der lex aeterna, d.h. im ewigen Gesetz, welches als der Inbegriff des göttlichen Willens und der göttlichen Vernunft zugleich gilt.
Seinen schönsten und zugleich klarsten Ausdruck findet das ewige Gesetz und das Naturrecht im sogen. Doppelgebot der Bibel: “Du sollst Gott, deinen Herrn lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte. Dies ist das vornehmste und größte Gebot. Das andere aber ist ihm gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Matthäus 22:37, 38, 39).
Entsprechend des transzendentalen Charakters der sittlichen Forderung kann das Naturrecht nicht nur von Christen oder von an die Existenz Gottes glaubenden Menschen, sondern von allen Menschen, sofern sie die menschliche Vernunft teilen, erkannt und auch gefordert werden.
Das Gemeinwohl
(„bonum commune“) bezeichnet nach Thomas von Aquin das, „was für alle Geschöpfe gut ist und wonach alle naturgemäß streben“, also letzten Endes Gott. So ist mit dem „Gemeinwohl“ ausgedrückt, daß jene allumfassende Ordnung, in die Gott alle Kreatur, und allen voran den Menschen gestellt hat, auch als Norm aller sittlichen und rechtlichen Bestrebungen des Menschen zu gelten hat, individuell wie staatlicherseits.
Die Philosophen der Aufklärung dagegen (Rousseau) haben gemeint, das Gemeinwohl durch den Gemeinwillen (volonté générale) ersetzen zu müssen, um so die Grundlage allen Rechtes in die menschliche Hand, genauer gesagt in die Hand jener Minderheit zu legen, die die Macht hat, diese „Volonté générale“ für alle verbindlich zu interpretieren; ganz folgerichtig hat sich aus der damit gegebenen Ablösung des Rechtes von seiner absoluten Grundlage (Gott) die Terrorherrschaft des Menschen (zunächst der Jakobiner) über die übrigen Menschen ergeben.
In der heutigen Gesellschaft ist der Gedanke des Gemeinwohls weitgehend durch den Utilitarismus („gut ist, was nützlich ist“) und dem Pluralismus (wonach der mehr oder weniger freie Ausgleich der Interessen durch verschiedene Interessengruppen bestimmend ist) verdrängt – so daß mehr und mehr der faktische Besitz von politischer und physischer Macht (d.h. von Schußwaffen!) bestimmt, was als Recht zu gelten hat und was nicht, wodurch eine grenzenlose Manipulation ermöglicht wird.